Hallo Windwald! – Hallo Energiewende!
Mit der Einweihung des Windparks “Im Hallo” in blauen Eck bei Freiensteinau verbindet sich die Energiewende mit regionaler Wertschöpfung zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum.
Weit und breit keine Windkraftanlagen zu sehen, so dachten wir am Sonntag früh am 21. September auf der Anfahrt nach Freiensteinau. Die dicken grauen Regenwolken lagen dicht über dem Boden und ließen keinerlei Landmarken sehen. Doch dann: ein Lichtblick: unser Ziel war sichtbar und denkbar nah: der Festplatz zur Einweihung der sieben Windkraftanlages des “Windwaldes Hallo”.
Einweihung war gleich ganz wörtlich zu nehmen, denn als erstes hielt die Ortspfarrerin Andrea Wiemer einen Gottesdienst. Darin machte sie deutlich, dass die Abkehr von gefährlichen und schädlichen Energieformen, z.B. der Atomkraft, zur Verantwortung des christlichen Handelns gehöre. Gottes Schöpfung schenke uns Sonne und Wind als Möglichkeit unseren Energiebedarf zu decken. Die Veranwortung für die Schöpfung und für die zukünftigen Generationen legitimierten die Freiensteinauer zum Bau von Windparks. Sie glaubt an die Kraft der Versöhnung und wünscht sich, daß nach dem Streit um den Windpark in der Gemeinde sich alle Bürgerinnen und Bürgern ihrer Gemeinde die Hände reichen und einander mit Achtung und Nächstenliebe begegnen könnten. Der Einweihungsgottesdienst wurde vom Posaunenchor der Kirchengemeinde musikalisch begleitet.
In seinem nachfolgenden Grusswort betonte Bürgermeister Friedel Kopp die Energiewende als grosse Aufgabe und als grosse Chance für seine Gemeinde. Spätestens seit der Atom-Havarie in Fukushima wird auf allen politischen Ebenen die unabwendbare notwendige Energiewende als Ersatz für die AKW ins Feld geführt. Dank der guten Windverhältnisse im Vogelsberg begann man in der Gemeinde weit früher Windkraftanlagen zu errichten, die ersten im Jahre 1997. Schnell wurde der Gemeinde trotz anfänglicher Skepsis klar, dass sie diese Entwicklung nicht würde verhindern können. Stattdessen beschlossen Gemeinde- und BürgervertreterInnen, die Energiewende aktiv zu gestalten, zum einem um in der Planung eigene Vorstellung der gemeindlichen Entwicklungen einbringen zu können, zum anderen um die wirtschaftlichen Chancen für die Gemeinde zu nutzen. Seit Jahren gebe es durchaus Protest und erbitterte Diskussionen in der Gemeinde. Allerdings haben sich die Bürgerinnen und Bürger in einer Befragung mehrheitlich explizit für die Windkraft und auch auch für den jetzt fertiggestellten Windpark ausgesprochen. Den weiterhin protestierenden Windkraftgegnern gesteht der Bürgermeister von Herzen das demokatische Recht der Meinungsfreiheit zu, und auch das Recht, für Ihre Meinung zu demonstrieren. Er merkt jedoch an, daß weder von Seiten der Windkraftgegner, noch von Seiten der Opposition im Gemeindeparlament je konkrete und realistische Vorschläge gekommen wären, wie Energie ohne die Windparks bereitgestellt werden könnte. Ebensowenig hätten diese Menschen ernstzunehmende Konzepte vorlegen können, wie die gemeindlichen Einnahmen aus dem Windpark anderweitig zu erzielen wären. Dieses wenig konstruktive Vorgehen rügt der Bürgermeister auch an etlichen Vertretern der hohen Politik, die gegen ihre Bürger und Gemeinden arbeiten und auf lokaler Ebene z.T. offen gegen die Vorgaben ihrer Parteifreunde aus der Landes- bzw. Bundesregierung agierten. Dadurch würde nach seiner Meinung die Umsetzung des Erneuerbaren Energieziels in Hessen gefährdet.
Insgesamt rechnet der Bürgermeister mit Einnahmen für die Gemeinde aus dem Windpark “Im Hallo” in Höhe von ca. 10 Mio. Euro nachhaltig im Laufe der Betriebdauer des Windparks in Form von Pachten und später auch als Gewerbesteuer! In diesem Zusammenhang lobt der Bürgermeister auch die gute Zusammenarbeit mit der Betreiberfirma Luftstrom. Alle Verwaltungssitze, auch von den Planungsfirmen im Vorfeld, wurden in der Gemeinde angesiedelt. Dadurch ist der wirtschaftliche Gewinn in Freiensteinau maximal; bereits ca. 800.000 Euro allein in der Planungsphase! Dieses Geld kommt den Bürgerinnen und Bürgern in der ansonsten eher strukturschwachen Gemeinde zu gute: Hebesätze können auf niedrigem Niveau gehalten werden! Ansonsten drohe dem ländlichen Raum massiv der demographische Wandel, denn die jungen Leute zögen dahin, wo sie wirtschaftlichen Chancen haben. Der Bürgermeister ist auch ein bisschen stolz auf dieses erreichte Ziel, für die Gemeinde und für die Energiewende – und das wohl mit allem Recht!
Der Geschäftsführer des Betreibers, Herr Michael Häußer ist ein sehr erfahrener Akteur der Windkraftbranche und auch als Regionalvorsitzender für Südhessen im Bundesverband Windenergie aktiv. Er lobte ebenso die gute Zusammenarbeit mit der örtlichen Politik als auch den Behörden. Als bundesweites Novum können die Bürgerinnen und Bürger der Region Südlicher-Vogelsberg den Windstrom in Form eines Ökostrom-Angebots der Firma grün-power günstiger beziehen, als vom billigsten konventionellen Anbieter. In windschwachen Zeiten, wenn die 21 Megawatt Nennleistung des Windwaldes stellt grün-power die Versorgung mittels zugekauftem Wasserkraftstrom sicher. Damit stellt Häußer unter Beweis, daß die Energiewende auch zu günstigen Strompreisen zu machen ist hier irgendwas mit Dezentral. Als weitere Besonderheit erhielten die einzelnen Enercon-Windräder des Windwalds “Im Hallo” eigene Namen. Pate standen dabei die Persönlichkeiten, die sich lokal um den Windwald verdient gemacht haben (Waldfee, Basalt-Kopp, Helmut und Reinhard), die beiden Ortsbezeichnungen für den Standort (Hallo und Blaues Eck). Ein Windrad wurde Tourouvre getauft, nach der französische Partnergemeinde von Freiensteinau. Eine Abordnung aus Tourouvre war zum Fest eingeladen, und freute sich über diese Geste der Völkerverständigung, 100 Jahre nach Ausbrauch des 1. Weltkrieges. In ihrem kurzen Dankeswort brachte Bernadette Mousset auch ein grosses Interesse an der Energeiwende zum Ausdruck. Schliesslich möchte auch Frankreich aus der Atomkraft aussteigen. Auch wenn dieser Weg dort noch etwas länger sein dürfte, beobachtet man die Erfahrungen in Deutschland mit Interesse und Wohlwollen.
Neben den Redebeiträgen, sorgte Jan Jan mit musikalischem Kabarett für Kurzweil, gab Tipps zum Energiesparen, und führte quasi nebenbei als Conferencier mit viel Charme durch das Programm. Die intensive Verwurzelung des Windwald bei der ortsansässigen Bevölkerung zeigte sich auch durch den Auftritt einer lokalen Volksmusik-Kapelle, die mit einem breitem Repertoir auch Musik zum Schunkekln sowie flottes Blech zum Besten gab. Geradezu umwerfend fanden wir die Kuchen- und Tortentheke, wofür die örtlichen Landfrauen verantwortlich gezeichnet hatten: So eine grosse Auswahl leckerer handgemachter Kuchen und Torten sieht man wirklich nicht alle Tage! Dementsprechend “schlugen wir zu”.Ausserdem gab es Leckeres vom Grill und Getränke am Stand der Freiwilligen Feuerwehr. Man konnte es sich richtig gut gehen lassen!
Draußen im strömenden Regen stand ziemlich verloren und kaum sichtbar eine Gruppe Demonstranten. Sie konnten einem fast leid tun. Wir hätten sie sehr gern unter dem trockenen Zeltdach an unserer Freude teilhaben lassen, denn mit Windrädern in der Nachgarschaft läßt es sich gut leben.
Auf diese Weise konnten wir uns an einem gelungenen Fest erfreuen. Für weitere Informationen, Diskussion und Unterhaltung und sorgten Info-Stände des Windwaldbetreibers “Luftstrom”, des Stromhändlers grün.power Mainz, des Bundesverbands Windenergie BWE, des Windturbinenherstellers Enercon, der GLS-Genossenschafts Bank, und des Arbeitskreises Taunussteiner Energiewende und des VIKU Bamberg als bürgerliche Initiativen zur Förderung der Energiewende. Ein lokaler Autohändler brach die Energiewende auf die den Verkehr herunter und stellte den Renault Twizy aus, ein hochmodernes Eletroflitzer. Für die Kurzweil der kleinen Besucher gab es einen Stand an dem sie sich schminken lassen und basteln konnten.
Angesichts des sehr regnerischen Wetters wäre die Sensation des Tages beinahe ins sprichwörtliche Wasser gefallen: Die Fallschirmspringer, die von Turm des Windrades sprangen. Als der Niederschlag kurzfristig ein wenig nachliess sind doch einige unentwegte von der Gondel abgesprungen. Auf diese Weise ergibt sich vielleicht noch ein schöner touristischer Zusatznutzen für Windräder bei Flaute: als Startplatz für Gleitschirmflieger oder gar Drachenflieger!
Als krönenden Abschluss des gelungenen Einweihungsfests haben Bürgermeister Kopp und Luftstrom Geschäftsführer Häußer mit grosser Geste den Windwald offiziell seiner eigentlichen Bestimmung übergeben, nämlich umweltfreundlichen Strom für die Region zu erzeugen. Dafür haben sie symbolisch den Stecker der Gemeinde Freiensteinau in die Steckdose der Luftstrom gesteckt. In diesem Moment sorgte auch ein aufkommender Wind dafür, daß sich das Windrad “Tourouvre” fleissig zu drehen begann. Ein erhebender Moment! (Redaktionelle Anmerkung Karin+Jens: Wir versuchen ein Photo davon zu bekommen)
Autor: Dr. Jens GarleffArtikel der lokalen Presse:
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