Die Mehrheit der Taunussteiner Stadtverordnetenversammlung hat mit den Stimmen von CDU, FDP und FWG am 05.05.2022 einen Antrag der Grünen zu mehr Klimaschutz und zur Nutzung der Windenergie auf den Taunussteiner Flächen abgelehnt. Diese Entscheidung wird weder den politischen noch den rechtlichen Anforderungen gerecht.
Die Narrative gegen die Windenergie führen in die Irre
Ohne Windkraft geht es nicht
Fast täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften von den Auswirkungen des Klimawandels: extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren nehmen weltweit zu, ganze Landstriche werden unbewohnbar, Gletscher und Eiskappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt und gefährdet viele Küstenregionen, die Versauerung des Meeres zerstört Korallenriffe und ganze Ökosysteme, Hunger und Armut nehmen zu und führen zu nie dagewesenen Migrationsbewegungen. Zudem ist der Klimawandel inzwischen nicht mehr „nur“ eine Bedrohung in ferner Zukunft oder entlegenen Erdteilen, laut dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ist er längst da und auch schon in Hessen zu spüren: Wetterextreme wie Hitzewellen oder Starkniederschläge werden objektiv häufiger und heftiger. Ein deutlich sichtbares Zeichen sind die absterbenden Fichtenbestände. In dieser Situation macht uns auch noch der schreckliche Krieg in der Ukraine deutlich, wie gefährlich unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern, speziell von russischem Erdgas und russischem Öl ist. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von extrem hoher Priorität und zeitlicher Dringlichkeit. Die Windenergie spielt hierbei eine zentrale Rolle, weil sie sich gut mit der Photovoltaik ergänzt und im ganzjährigen Mittel etwa 16 Stunden am Tag Strom ins Netz einspeist.
Der Arbeitskreis Taunussteiner Energiewende und die Lokale Agenda 21 Taunusstein lädt am 26. April um 17 Uhr zur Mahnwache auf dem Nikolaus-Platz in Tsst-Hahn ein. Wir wollen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl vor 36 Jahren und ihrer Opfer gedenken. Zudem erfüllt uns der russische Überfall auf die Ukraine mit größter Sorge, denn Kampfhandlungen in der Nähe von AKWs steigern das Risiko eines Super-GAUs gewaltig und deren Folgen gehen weit über das Kriegsgebiet hinaus. Wir fordern das sofortige Ende des Krieges, die Abschaltung aller AKWs und die Energiewende hin zu konsequenter Suffizienz und Effizienz und vollständiger Versorgung durch heimische erneuerbare Energiequellen, denn nur so machen wir uns unabhängig von gewaltbereiten Despoten wie Putin.
Jens Garleff hat sich Gedanken zum Tschernobyl Jahrestag gemacht, hier zu lesen »
Der Krieg in der Ukraine, ausgelöst durch den russischen Überfall, legt für mich folgende Gedanken nahe:
1) Atomkraft ist nicht sicher. Schon zu Friedenszeiten gibt es ein untragbar großes Risiko, dass durch “dumme Zufälle” ein AKW explodiert, durchschmilzt, o.ä.
Im Krieg steigt dieses Risiko dramatisch an; wie leicht kann eine fehlgeleitete Rakete oder ein missglückter Schuss einer Granate das AKW versehentlich beschädigen, auch wenn wie bislang in der Ukraine beiden Seiten offenbar ein Interesse daran haben, die Sicherheit der Atomanlagen zu gewährleisten. Dennoch besteht ein ernstzunehmendes Risiko, dass die Spirale aus Drohungen aus dem Ruder läuft, und einzelne Akteure, Soldaten, Partisanen oder überfordertes Reaktorpersonal Fehler mit katastrophalen Folgen machen. Bekanntlich zerstört der Angreifer bewusst die Infrastruktur des Feindes, um dessen Nachschub und auch dessen Reparatur von Kriegsgerät und die Rüstungsproduktion zu unterbinden. Dabei kann es leicht geschehen, dass unverhofft auch Reaktoren vom Stromnetz oder von der Versorgung mit Kühlwasser abgeschnitten werden.
Selbst wenn es noch gelingt, einen beschädigten oder seiner Infrastruktur beraubten Reaktor kontrolliert herunterzufahren, muss der Reaktorkern und das Abklingbecken mit gebrauchten Brennelementen für viele Wochen ununterbrochen aktiv gekühlt werden, sonst droht auch im abgeschalteten AKW eine Kernschmelze, die nach wenigen Stunden bis Tagen unkontrollierbar wird. Wie real dieses Szenario ist, musste die Welt 2011 in Fukushima zur Kenntnis nehmen. Erdbeben und Tsunami hatten die Reaktoren selbst weitgehend unbeschadet überstanden, die sofort heruntergefahren wurden. Nur war die Stromversorgung und damit die Kühlung lange genug unterbrochen, sodass die unvermeidliche Nachzerfallswärme in den Brennelementen zur Katastrophe führte. Wir müssen also hoffen und beten, dass die ukrainischen AKW (Chmelnyzkyj, Riwne, Saporischschja, Süd-Ukraine) bei Kriegbeginn abgeschaltet wurden. Auch wenn die Nachzerfallswärme noch viele Monate prinzipiell stark genug ist, um den Reaktor zu zerstören, vergrößert sich das Zeitfenster, in dem die Kühlung wieder hergestellt und die Kernschmelze verhindert werden kann. Direkt nach dem Erlöschen der Kettenreaktion schmilzt ein ungekühlter Reaktor nach knapp 2 Stunden. Einen Monat nach dem Abschalten hat man rund 2 Tage lang die Chance, die Kühlung wieder herzustellen, bevor eine unbeherrschbare Kernschmelze eintritt. Ein paar Tage klingt nach viel Zeit. Mit den Zerstörungen nach den russischen Angriffen vor Augen scheint es zumindest fraglich, ob die Versorgung mit Strom und Kühlwasser schnell genug gesichert werden kann.
Leider steht zu befürchten, dass Krieg auf weitere Länder übergreift. Daher müssten auch die AKW in den anderen europäischen Ländern, Tschechien, Slowakei, Deutschland und Schweden sofort abgeschaltet werden.
Ganz unabhängig von den beispiellosen Sicherheitsrisiken der AKWs stellen sie eine sehr teure Möglichkeit dar, uns mit Energie zu versorgen. Um in Hinkley Point ein neues AKW zu planen, musste die englische Regierung eine Einspeisevergütung von über 11 Ct/kWh anbieten, die zudem über 30 Jahre garantiert wird. Die beiden aktuellen neuen AKW-Projekte in der EU stellen ebenso ein Trauerspiel dar: – Olkiluoto in Finnland wurde 3x mal so teuer wie ursprünglich zum Fixpreis von 3Mrd. Euro angeboten. Die Bauzeit verlängerte sich von den projektierten 6 Jahren auf inzwischen 17 Jahre. Inzwischen läuft der Reaktor, allerdings nur im Testbetrieb und soll ab dem Sommer 2022 regulär Strom liefern. Wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt … – Flamanville in Frankreich sollte ursprünglich 3,3 Mrd. Euro kosten; inzwischen geht der zukünftige Betreiber von Baukosten in Höhe von 12,7 Mrd. Euro, der französische Rechnungshof rechnet sogar mit 19,1 Mrd. Euro Gesamtkosten für das Projekt; der erzeugte Strom würde danach 11 – 12 Ct/kWh kosten. Die Inbetriebnahme wurde im Januar 2022 zum wiederholten Mal verschoben, und soll nun im 2. Quartal 2023 stattfinden. Wer weiß, wann’s wirklich so weit ist … Zum Vergleich: Aktuell wird der “teure” Fotovoltaik-Strom in Deutschland mit 6,52 Ct/kWh vergütet. Für die Dunkelflaute brauchen wir Stromspeicher. Batteriespeicher kosten ca. 15 Ct/kWh, großtechnisch können Pumpspeicherkraftwerke den Strom viel preiswerter speichern. Daher scheint es mir mehr als realistisch, dass Strom aus Sonne und Windkraft inklusive der nötigen Stromspeicher preisgünstiger zu haben ist, als Strom aus neu zu bauenden AKW. Noch ein Vergleich: PV Anlagen und Windkraft kann man jederzeit völlig gefahrlos von einer Sekunde auf die nächste abregeln und bei Bedarf sofort wieder ans Netz nehmen. AKWs können nur stur durchlaufen, egal ob oder wie viel Strom gerade gebraucht wird. Insbesondere nach einer Schnellabschaltung dauert es viele Tage, bis der Reaktor “sicher” wieder den normalen Leistungsbetrieb erreicht. Flexibel und sicher planbar ist in meinen Augen anders als jetzt Gas geben, damit ich 2 Wochen volle Leistung bekomme, egal ob ich sie dann brauche oder nicht.
2) Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland.
Ich finde es schlicht beschämend, dass wir weiterhin unseren Energiehunger mit Öl und Gas aus Russland stillen, und damit dem aktuellen Schlächter Europas die Kriegskasse täglich neu füllen. Die Menschen in der Ukraine kämpfen ums nackte Überleben, auf der Flucht oder im Kampf, und unsere Solidarität reicht nicht mal so weit, harte Einschnitte wie ein Tempolimit oder eine um wenige Grad reduzierte Raumheizung zu akzeptieren. Langfristig müssen wir unsere Energieversorgung ohnehin CO₂-neutral aufstellen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Nun rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit gleich doppelt: Die deutsche Politik setzt seit Jahren bei der Energieversorgung nur auf billig-billig-billig, und das auch nur bei kurzsichtiger Betrachtungsweise, denn die Kosten, die in den letzten Jahren scheinbar eingespart wurden, weil die Energiewende als unpopulär teuer galt, fallen uns doppelt und dreifach auf die Füße, wenn nun der Klimawandel zuschlägt. Allerdings verdienen an den fossilen Energieträgern andere als die jetzt und in Zukunft, die Schäden durch den Klimawandel erleiden. Die Rezepte sind bekannt, was getan werden muss, um den Klimakollaps erträglich zu halten: der Energieverbrauch muss sinken durch Suffizienz, d.h. Energie soll nur noch eingesetzt werden, wo es wirklich nötig ist. Es ist paradox, mit dem Auto in die Firma zu fahren, dann den Aufzug ins Büro zu nehmen – und um fit zu bleiben, nach Feierabend auf dem Heimtrainer zu trainieren. Produkte müssen langlebig sein, um Energieverbrauch bei der Erzeugung und Umweltbelastung bei der Entsorgung zu minimieren.
Der nächste Punkt ist Effizienz, d.h. die Dienstleistungen für den Energieeinsatz wirklich nötig ist (z.B. Brot backen, Beleuchtung, etc), sollen energetisch optimiert werden, dass mit minimal möglichem Energieverbrauch die erforderliche Dienstleistung erbracht werden kann. Konkret heißt das kleine sparsame Elektrofahrzeug für die letzte Meile, Bus und Bahn für die langen Strecken, LED statt Glühbirne, gut gedämmte Passivhäuser, in denen die Abwärme der BewohnerInnen und der Geräte praktisch als Heizung ausreicht, etc.
Auf diese Weise sollte es möglich sein, mit 25 % des aktuellen Verbrauchs an Energie unser Leben in nahezu gewohnter Weise zu bestreiten. Dieses verbleibende Viertel an Energie kann dann leicht durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden: Sonnenenergie sorgt für Wärme und Strom, Wind- und Wasserkraft erzeugen Strom, Biomasse ist leicht zu speichern und deckt die Spitzenlast. Zusätzlich wird Strom in Batterien und Pumpspeicherkraftwerken für die berühmte Dunkelflaute gespeichert.
Natürlich kostet die Energiewende viel Geld. Allerdings ist es eine Lüge, dass ein “weiter so” mit Kohle und Atom auf lange Sicht kostengünstiger wäre. Zudem bleiben die unkalkulierbaren Risiken der nuklearen Verseuchung und der Klimakatastrophe; um es kurz zu sagen: Die Energiewende wird Geld kosten. Der Verzicht auf die Energiewende wird noch teurer: “Weiter so” kostet uns das Leben.
Der schreckliche Krieg in der Ukraine macht uns allen deutlich, wie problematisch unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern ist. Deutschland muss schnellstmöglich alle Maßnahmen ergreifen, um unabhängig von russischem Öl und Erdgas sowie von Kohle zu werden. Dies gelingt am besten durch effiziente Energienutzung und durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien. Die Windenergie spielt hierbei eine zentrale Rolle, weil sie sich gut mit der Photovoltaik ergänzt und zu allen Jahreszeiten zur Verfügung steht. Windenergie ist Friedens- und Überlebensenergie. Sie ist sowohl eine Versicherung gegen gefährliche politische Abhängigkeiten als auch gegen die drohenden Gefahren des Klimawandels.
In Taunusstein gibt es drei im Regionalplan Südhessen ausgewiesene Vorrangflächen für Windenergie. Zwei davon befinden sich auf dem Taunuskamm, ein dritter Standort liegt nördlich von Wingsbach und ist Teil einer größeren Vorrangfläche, vorwiegend auf dem Gebiet der Gemeinde Hohenstein. Besitzer der in Taunusstein infrage kommenden Flächen sind die Stadt Taunusstein und das Land Hessen.
Es gibt keinen Grund, diese Flächen nicht schnellstmöglich für die Windenergie zu nutzen. Durch die Pachteinnahmen stünden der Stadt Taunusstein zusätzliche Mittel für wichtige kommunale Aufgaben zur Verfügung.
Angesichts dessen fordern wir die Stadt Taunusstein auf, sich mit Hessen-Forst und der Gemeinde Hohenstein abzustimmen und die Planungen für diese Windparks umgehend aufzunehmen.
Ortsgruppe Taunusstein
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22. Oktober 2021
von AKTE Kommentare deaktiviert für Balkonkraftwerk – Eigener Strom für kleines Geld – 10.Taunussteiner Energiewendestammtisch
Mit dem Fahrrad auf der Spur der Schönheit der Schöpfung
„Gottes Schöpfung und was wir damit machen“. Mit dem Fahrrad begeben wir uns sowohl auf die Spur der Schönheit der Schöpfung als auch der menschlichen Eingriffe, mit denen die Lebensgrundlagen für Mensch und Tier gefährdet und vernichtet werde. Beginn ist um 9.30 Uhr an der Kirche St. Peter auf dem Berg. Die Tour geht dann durchs Aartal und ist auch für Kinder und Familien geeignet (ca. 7 km). Für Impulse, Gebete, Lieder und eine Aktion zum Mitmachen hält die Gruppe an geeigneten Stellen an. Gegen 11 Uhr findet an der Kirche ein Abschlussgottesdienst im Freien statt. Hierzu sind auch alle eingeladen, die nicht mit dem Fahrrad fahren können oder wollen. Bei Regen findet der Gottesdienst um 10 Uhr in der Kirche St. Peter auf dem Berg statt. Mit dabei sind: Arbeitskreis AKTE – Taunussteiner Energiewende und der Pfadfinderstamm Schinderhannes
Kommentar zur aufgeregten Diskussion über die Windkraft in Wiesbaden anlässlich des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 24.07.2020
Laut aktuellen Umfragen rangiert in der deutschen Bevölkerung der Klimaschutz auf Platz 1 der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Eine überwältigende Mehrheit (89 %) befürwortet eine stärkere Nutzung der erneuerbaren Energien. Die Haltung in der Bevölkerung zugunsten von mehr Klimaschutz und erneuerbaren Energien ist also sehr positiv. Doch eine kleine, sehr lautstarke Minderheit macht regelmäßig Stimmung gegen diesen gesellschaftlichen Konsens und attackiert die Energiewende, insbesondere den Bau von Windkraftanlagen.
Um gehört zu werden, verwenden Windkraftgegner gerne die bekannten Methoden der Agitation: Falschdarstellung, Übertreibung, Dramatisierung. Mit Worten lassen sich Emotionen und Bilder erzeugen, die mit den Tatsachen nicht viel zu tun haben müssen. Wenn der Begriff „Kranich-Schredderanlage“ verwendet wird, muss man über das Für und Wider nicht lange nachdenken.
Angesichts solcher „Informationen“ verfestigt sich bei Bürgern schnell die Einschätzung: „Ja wenn das so ist, dann bin ich auch gegen Windenergie“ – und damit liegen sie intuitiv richtig, denn wenn die Behauptungen der Windkraftgegner stimmen würden, dann wäre der Bau dieser Anlagen tatsächlich nicht zu verantworten. Der Haken ist nur: die meisten Behauptungen stimmen entweder nicht oder nur in sehr kleinen Teilen, und das was stimmt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als unspektakulär und unproblematisch.