Taunussteiner Energiewende

AKTE - ArbeitsKreis Taunussteiner Energiewende

Wind­kraft auf dem Tau­nus­kamm – wo denn sonst?

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Kom­men­tar zur auf­ge­reg­ten Dis­kus­si­on über die Wind­kraft in Wies­ba­den
anläss­lich des Urteils des Ver­wal­tungs­ge­richts Wies­ba­den vom 24.07.2020

silhouette of windmills under orange sunset
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Laut aktu­el­len Umfra­gen ran­giert in der deut­schen Bevöl­ke­rung der Kli­ma­schutz auf Platz 1 der wich­tigs­ten gesell­schaft­li­chen Auf­ga­ben. Eine über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit (89 %) befür­wor­tet eine stär­ke­re Nut­zung der erneu­er­ba­ren Ener­gien. Die Hal­tung in der Bevöl­ke­rung zuguns­ten von mehr Kli­ma­schutz und erneu­er­ba­ren Ener­gien ist also sehr posi­tiv. Doch eine klei­ne, sehr laut­star­ke Min­der­heit macht regel­mä­ßig Stim­mung gegen die­sen gesell­schaft­li­chen Kon­sens und atta­ckiert die Ener­gie­wen­de, ins­be­son­de­re den Bau von Windkraftanlagen.

Um gehört zu wer­den, ver­wen­den Wind­kraft­geg­ner ger­ne die bekann­ten Metho­den der Agi­ta­ti­on: Falsch­dar­stel­lung, Über­trei­bung, Dra­ma­ti­sie­rung. Mit Wor­ten las­sen sich Emo­tio­nen und Bil­der erzeu­gen, die mit den Tat­sa­chen nicht viel zu tun haben müs­sen. Wenn der Begriff Kra­nich-Schred­der­an­la­ge“ ver­wen­det wird, muss man über das Für und Wider nicht lan­ge nachdenken.

Ange­sichts sol­cher Infor­ma­tio­nen“ ver­fes­tigt sich bei Bür­gern schnell die Ein­schät­zung: Ja wenn das so ist, dann bin ich auch gegen Wind­ener­gie“ – und damit lie­gen sie intui­tiv rich­tig, denn wenn die Behaup­tun­gen der Wind­kraft­geg­ner stim­men wür­den, dann wäre der Bau die­ser Anla­gen tat­säch­lich nicht zu ver­ant­wor­ten. Der Haken ist nur: die meis­ten Behaup­tun­gen stim­men ent­we­der nicht oder nur in sehr klei­nen Tei­len, und das was stimmt, ent­puppt sich bei nähe­rer Betrach­tung als unspek­ta­ku­lär und unproblematisch.

Wenn man den Kern des Wider­stands auf Fak­ten hin unter­sucht, lau­fen die vor­ge­brach­ten Argu­men­te sehr schnell ins Lee­re und redu­zie­ren sich auf eine trot­zi­ge Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on. Dies ist aber kei­ne ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf die rea­len Her­aus­for­de­run­gen durch den Klimawandel.

Um wel­che The­men geht es im Ein­zel­nen? Beim Wind­park Hohe Wur­zel wur­den in der Pres­se zuletzt vor allem fol­gen­de Gegen­ar­gu­men­te vorgebracht:

  • Grund­was­ser­ge­fähr­dung
  • Arten­schutz
  • Land­schafts­schutz
  • Denk­mal­schutz
  • grund­sätz­li­che Eig­nung des Standorts

Im Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren wur­de der Grund­was­ser­schutz zum domi­nie­ren­den Ableh­nungs­grund auf­ge­bauscht, dem sich selt­sa­mer­wei­se auch das Regie­rungs­prä­si­di­um Darm­stadt anschloss. Dies ver­wun­dert ins­be­son­de­re des­halb, weil eine tat­säch­li­che Gefähr­dung nur in der kur­zen Bau­pha­se des Wind­parks besteht, und weil ESWE (neben­bei als Was­ser­ver­sor­ger selbst Betrei­ber der Tau­nus­stol­len) dafür ein umfang­rei­ches Kon­zept zum Schutz vor einer Grund­was­ser­ge­fähr­dung vor­ge­legt hat.

Kein ver­nünf­ti­ger Mensch wür­de eine Gefähr­dung unse­rer Trink­was­ser­ver­sor­gung für einen klei­nen Teil der Ener­gie­ver­sor­gung akzep­tie­ren. Daher ist die­se Argu­men­ta­ti­on in der Öffent­lich­keit auch so ver­fäng­lich. Dass sie fach­lich auf sehr wacke­li­gen Füßen steht und sich bei nähe­rer Betrach­tung als zah­mes Kätz­chen erweist, bleibt in der auf­ge­heiz­ten öffent­li­chen Debat­te lei­der auf der Strecke. 

Die Behaup­tung der Geneh­mi­gungs­be­hör­de aus dem Ableh­nungs­an­trag, dass kei­ne rea­lis­ti­scher­wei­se umsetz­ba­ren“ Maß­nah­men vor­stell­bar sei­en um den Schutz des Grund­was­sers zu gewähr­leis­ten, ist völ­lig welt­fremd und unter­schlägt, dass tag­täg­lich in Was­ser­schutz­ge­bie­ten Bau­maß­nah­men durch­ge­führt wer­den. Man kann sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass hier nicht die fach­li­che Exper­ti­se, son­dern das Ziel der Ableh­nung der Ori­en­tie­rungs­punkt für die inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung war.

The­ma Arten­schutz: Kei­ne der am Stand­ort Hohe Wur­zel ins Spiel gebrach­ten Tier­ar­ten wird durch den Wind­park in ihrem Bestand gefähr­det. Der Wan­der­fal­ke nutzt den Fern­seh­turm als Späh­punkt, nis­tet dort aber nicht. Die Erfah­run­gen mit ande­ren Wind­parks zei­gen, dass der Wan­der­fal­ke nicht schlag­ge­fähr­det ist. Es sind sogar Fäl­le bekannt, in denen Wan­der­fal­ken an Wind­kraft­an­la­gen brüten.

Die Bechstein­fle­der­maus ist wegen ihrer gerin­gen Flug­hö­he eben­falls nicht kol­li­si­ons­ge­fähr­det. Die Wind­kraft­ro­to­ren bewe­gen sich in einem Bereich zwi­schen 91 und 207 Metern über dem Boden, weit über den Flug­rou­ten der Fledermäuse.

Der Schutz von Kra­ni­chen ist für Wind­kraft­an­la­gen grund­sätz­lich kein Pro­blem. Die Rou­ten der Kra­nich­zü­ge sind bekannt, und über ein Beob­ach­tungs­netz­werk lässt sich die Annä­he­rung der Schwär­me früh­zei­tig erken­nen. Selbst wenn es zu dem eher unwahr­schein­li­chen Fall käme, dass Kra­ni­che bei schlech­tem Wet­ter in nied­ri­gen Höhen über der Hohen Wur­zel ent­lang zie­hen, könn­ten die Anla­gen in die­sem Zeit­raum recht­zei­tig abge­schal­tet wer­den. Den Wind­park als Kra­nich-Schred­der­an­la­ge zu bezeich­nen ist eine dreis­te und noch dazu ziem­lich doo­fe Verunglimpfung.

Beim The­ma Land­schafts­schutz wer­den wegen feh­len­der Argu­men­te ger­ne Super­la­ti­ve und dra­ma­ti­sie­ren­de Begrif­fe ver­wen­det. Dies gilt nicht nur für die Hohe Wur­zel, son­dern auch für ande­re Stand­or­te. Ger­ne wird durch den Blick auf Wind­kraft­an­la­gen die Zer­stö­rung“ einer ein­zig­ar­ti­gen Kul­tur­land­schaft“ phan­ta­siert. Beim Wind­park Hohe Wur­zel han­de­le es sich durch die indus­tri­el­le Über­for­mung” sogar um einen bis­her nie dage­we­se­nen Landschaftsvandalismus“.

Sol­che sub­jek­ti­ven Befind­lich­kei­ten wer­den auch beim Denk­mal­schutz vor­ge­bracht. Aus unse­rer Sicht ist eine Ein­schrän­kung durch den Denk­mal­schutz aber grund­sätz­lich nur legi­tim, wenn durch eine Maß­nah­me ein unmit­tel­ba­rer his­to­ri­scher Zusam­men­hang gestört wird. Der Anspruch, von über­all her und aus jedem Blick­win­kel das Erschei­nungs­bild eines Denk­mals bei­be­hal­ten zu kön­nen, ist über­zo­gen und geht an der Wirk­lich­keit unse­rer, von per­ma­nen­ter Land­schafts­ver­än­de­rung gepräg­ten Lebens­wei­se vorbei.

Es ist legi­tim, Wind­kraft­an­la­gen nicht zu mögen und das ver­än­der­te Land­schafts­bild sub­jek­tiv als Ver­schan­de­lung zu emp­fin­den. Es ist aller­dings nicht legi­tim, die­se per­sön­li­che Sicht­wei­se zum all­ge­mein gül­ti­gen Bewer­tungs­maß­stab zu erhe­ben. Schließ­lich dient der Ein­griff in das Land­schafts­bild einem über­ge­ord­ne­ten Zweck, dem Kli­ma­schutz. Die fak­ti­schen Aus­wir­kun­gen hin­sicht­lich der Ein­spa­rung von Treib­haus­ga­sen und Schad­stof­fen (NOx, Staub, Ruß) müs­sen mit den sub­jek­ti­ven Vor­stel­lun­gen von einem wün­schens­wer­ten Land­schafts­bild abge­wo­gen wer­den. Aus unse­rer Sicht soll­te in die­ser Abwä­gung der Kli­ma­schutz die wich­ti­ge­re Rol­le einnehmen.

Doch egal wie man sich ent­schei­det, man kann das Eine nicht ohne das Ande­re bewer­ten. Die Vor­stel­lung, man kön­ne die Welt dadurch bewah­ren, dass man den aktu­el­len Zustand kon­ser­viert, ver­kennt die tat­säch­li­chen Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit. Es geht hier­bei eben nicht um Befind­lich­kei­ten, son­dern um den gesell­schaft­li­chen Kon­sens zum Kli­ma­schutz, inkl. Aus­stieg aus der Atom­ener­gie und aus der Kohleverstromung.

Häu­fig wird dem Stand­ort Hohe Wur­zel auch die grund­sätz­li­che Eig­nung als Wind­kraft­stand­ort abge­spro­chen. Zunächst wur­de dies mit den angeb­lich schlech­ten Wind­ver­hält­nis­sen begrün­det, was inzwi­schen ein­deu­tig wider­legt ist. Heu­te wird vor allem die Ein­zig­ar­tig­keit“ des Land­schafts­bil­des bemüht, und dass man den Park doch ein­fach woan­ders bau­en kön­ne, schließ­lich gäbe es an ande­ren Orten aus­rei­chend geeig­ne­te Flä­chen für Wind­kraft­ro­to­ren. Kon­kre­ti­siert wird die­se Auf­for­de­rung nicht.

Bei genaue­rer Betrach­tung wird klar, dass das Tot­schlag­ar­gu­ment not in my back­yard“ in Süd­hes­sen nicht greift. Der von allen Par­tei­en im Hes­si­schen Land­tag unter­stütz­te Ener­gie­gip­fel sieht eine Aus­wei­sung von 2% der Lan­des­flä­che für Wind­kraft­an­la­gen­vor­rang­ge­bie­te vor. Der Teil­ener­gie­plan Erneu­er­ba­re Ener­gien für Süd­hes­sen konn­te aber nach jah­re­lan­gen Bemü­hun­gen nur 1,4% sol­cher Flä­chen aus­wei­sen, wes­halb er vom Ver­wal­tungs­ge­richt Wies­ba­den auch als feh­ler­haft ein­ge­stuft wur­de. Wenn es also genü­gend ande­re Flä­chen als die Hohe Wur­zel gäbe, dann müss­ten die­se im Regio­nal­plan auf­tau­chen, was aber nicht der Fall ist.

Daher ist das von den Wind­kraft­geg­nern gern vor­ge­brach­te Argu­ment, man sei ja für den Kli­ma­schutz und man hät­te auch nichts gegen Wind­ener­gie, aber eben nur nicht an die­sem kon­kre­ten, ein­zig­ar­ti­gen“ Stand­ort, unredlich.

Wir tra­gen heu­te eine gro­ße Ver­ant­wor­tung für den Zustand der Welt von heu­te und mor­gen. Wenn Kli­ma­schutz an Vor­lie­ben und Befind­lich­kei­ten schei­tert, dann leis­ten wir uns allen einen fol­gen­rei­chen Bärendienst.

Hans-Wer­ner Greß